Ob Ultratriathlon, Achttausender besteigen oder Basejumping von den höchsten Gebäuden der Welt – Extremsportler loten die Grenzen ihrer körperlichen und psychischen Belastbarkeit aus. Was Spaß macht und gefährlich ist, verschafft ihnen einen Endorphinrausch.

Extremsport steht seit Jahren in der Kritik, die Freizeitaktivität von risikosuchenden Adrenalinjunkies zu sein. Man tastet sich dabei an die äußersten quantitativen und qualitativen Grenzen der Leistungsfähigkeit heran. Dafür suchen die Sportler physische und psychische Herausforderungen, welche nicht selten mit einem hohen Risiko verbunden sind. Meist finden diese Aktionen in kleinen Gruppen mit Menschen desselben Schlages statt. Schwierig wird es, wenn die mediale Präsenz dem Sportler Druck macht und dieser sich über seine Komfortzone hinausbewegt, denn so kommt es zu den Unfällen, welche in den Medien so präsent sind und weswegen vielen Extremsportlern vorgeworfen wird, mit ihrem Leben zu spielen und es nicht schätzen zu können. Doch ist das die ganze Wahrheit? Im folgenden Interview beantworten der Basejumper Florian und der Highliner Friedi Fragen zu ihrem Hang zum Extremen und ob sie sich selbst unter Kontrolle haben. Dabei teilen sie ihre unterschiedlichen Ansichten mit uns und gewähren einen Einblick in ihren Sport, welcher vielleicht nichts anderes sein sollte als normal.

Florian – Basejumper

Florian Kong (32) ist ein Basejumper aus der Schweiz und hat sich mit seinen Lines, so nennt man den Flug, bereits einen Namen in der Szene gemacht. Beim Basejump springt man von feststehenden Objekten herunter und zieht während des Fallens den Fallschirm auf, um sicher zu landen. BASE ist dabei ein Akronym für die englischen Wörter:  Building (Gebäude), Antenna (Sendemast), Span (Brücke) und Earth (Erdeboden).

„Das Wichtigste ist eigentlich, dass ich die Grenze nicht überschreite, dass ich immer im Rahmen bleibe, wo ich mich wohl fühle“

Florian

Hast du das Gefühl, dass du immer weiter und höher musst, und erhöhst du dadurch das Risiko?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich weiter, höher und näher ans Gelände muss, aber ich glaube, wie bei jedem Sport ist es halt so, dass man sich weiterentwickelt und besser wird in dem, was man macht, und dadurch eröffnen sich wieder neue Möglichkeiten. Das Risiko sollte eigentlich immer auf demselben Niveau bleiben, denn vielleicht werden die Lines, die man fliegt, schwieriger und gefährlicher, aber das Können, das man selber hat, wird immer besser und das Wissen über den Sport und über den Anzug wird immer ausgeprägter, darum, denke ich, kann man eine gute Progression machen, ohne das Risiko massiv zu erhöhen.

Was gibt dir dieses stetige Überschreiten deiner Grenzen, und ist das eine Sucht?

Das Wichtigste ist eigentlich, dass ich die Grenze nicht überschreite, dass ich immer im Rahmen bleibe, wo ich mich wohl fühle und es sieht zwar immer crazy aus, was ich mache […], aber meistens […] ist das immer in einem Rahmen, wo ich mich gut fühle und wo es nicht […] die Grenze meines Könnens überschreitet. Wenn man wieder einen neuen Sprung macht oder eine neue Line fliegt, die riskanter ist oder ein bisschen herausfordernder, dann hat man trotzdem ein krasses Gefühl, einen Endorphinschub beim Landen.

Welche Rolle spielen die Adrenalinkicks in deinem Sport?

Wie wir alle wissen, ist Endorphin oder Adrenalin ein gewisser Rausch, der einen abhängig macht, aber ich glaube jetzt nicht, dass ich den Sport mache, weil ich den Kick brauche. Sondern eher, weil ich meine Grenzen austesten will, ich gut darin bin und es mir Zufriedenheit gibt und weil ich mich dabei glücklich fühle.

Gehst du lieber auf Nummer sicher und gehst alles tausendmal durch oder probierst du manches einfach mal eben?

Also normalerweise im Leben würde ich dir sagen, man sollte alles mal probieren, aber beim Basejumpen leg ich jedem immer ans Herz eine ganz langsame Progression zu machen. Es ist einfach ein Sport, bei dem man [schnell] einen Fehler mach[t, der] tödlich endet. Deswegen sollte man schon wissen, was man tut, und man sollte zuerst mal skydiven gehen. Ich habe über 370 Skydives gemacht, bevor ich meinen ersten Basejump gemacht habe und dann habe ich zum Beispiel […] erst nach drei Jahren einen Rückwertssalto gemacht und es ist beim Basejumpen sicherlich besser, wenn man eine langsame Progression macht. Gleichzeitig wird das Material immer besser, das Equipment, das wir haben, wird immer moderner, ausgefeilter.

Wie gehst du mit dem negativen Ruf deines Sports um?
Der Sport ist natürlich noch ein bisschen in den Kinderschuhen, und darum ist es auch noch etwas sehr Exotisches, wenn das jemand macht, aber ich denke über die nächsten Jahre wird das sicher besser und auch ein bisschen gesellschaftsfähiger als es jetzt ist. Ich denke, dass Basejumpen hat so einen negativen Ruf, weil die Medien uns oft als Adrenalinjunkies darstellenden, aber die meisten von uns sind eigentlich sehr durchdachte und respektvolle Typen, wenn es um das Risiko geht, das wir eingehen.

Friedi – Highliner

Friedrich Kühne (32), genannt Friedi, macht seit über zehn Jahren Slackline und nimmt an zahlreichen Wettbewerben teil. In den letzten Jahren hat er zwölf Weltrekorde im Bereich Highline und Free Solo aufgestellt. Eine Highline ist eine Slackline in über zehn Metern Höhe, begeht man diese ohne Sicherung, wird es Free Solo genannt. Vor kurzem hat auch Friedi mit Basejumpen begonnen, was natürlich sehr viel Erfahrung im Bereich Skydiving voraussetzt. Sein Ziel ist es, mit ein paar Jahren Übung von einer Highline einen Basejump zu machen.

„für mich ist Grenzen überschreiten etwas Positives“

Friedi

Welche Rolle spielt der Extremsport in deinem Leben?

Es ist schon das Größte, das, was mich in meinem Leben am meisten beschäftigt. Ich würde nicht sagen, dass mein gesamtes Leben ununterbrochen danach ausgerichtet ist, aber es ist schon mein Lebensinhalt. Ich mein, ich habe auch noch Freunde, Familie, eine Freundin und diverse andere Hobbies, aber ich sag mal Highlinen ist schon das, wonach mein Leben sich zurzeit richtet und was mein Leben allerdings auch erfüllt […].

Du erwähntest in einem Interview, dass du nie Angst hast bei Free Solo, weil du weißt, dass dir nichts passiert. Bleibt mit der Angst dann auch der Adrenalinstoß weg?

Also man muss ein bisschen unterscheiden zwischen Angst und Adrenalinstoß; für mich persönlich ist Angst etwas sehr negativ Behaftetes. [Wenn] ich Free Solo auf einer Highline stehe [und] dabei starke Angst verspüren würde, dann würde das heißen […], dass ich mich zu weit über meine Komfortzone hinausgewagt habe und dass ich auch nicht mehr alles unter Kontrolle habe. Das ist es nicht. Adrenalin ist schon vorhanden, also es kickt schon, sonst würde ich es wahrscheinlich auch nicht machen und es ist auch so, […] ganz ähnlich wie bei Drogen, wenn man es in kürzerer Zeit häufiger hintereinander macht, baut man eine gewisse Toleranz auf und dann braucht man beim nächsten Mal etwas mehr und muss […] weiter ans Limit gehen, um den dementsprechenden Kick zu verspüren. Wenn man allerdings immer mal wieder gesunde Pausen einlegt, so wie ich das mach, dann muss man nicht ständig immer weiter das Limit pushen und baut nicht diese Toleranz auf. Also wenn man immer mal wieder Pausen einlegt, in meinem Fall Highlines mit Sicherung läuft, was ich ja eh viel öfter mache, wenn man das als was Besonderes hält und nur hin und wieder macht, dann läuft man auch nicht Gefahr seine Fähigkeiten zu überschätzen und zu große Risiken einzugehen.

Dann würdest du sagen, dass es keine Sucht ist, der du ausgeliefert bist bzw. es ist eine kontrollierte Sucht?

Kontrollierte Sucht habe ich so noch nicht gesagt, aber die Bezeichnung gefällt mir ganz gut. Was ich und auch ein anderer Kumpel von mir, welcher auch basejumpt, gerne über unseren Sport sagen, ist, dass wir keine Adrenalinjunkies sind, sondern wir bezeichnen uns als Adrenalingourmets. Das heißt, das Bild eines Fixers, welcher sich eine Nadel setzt und immer mehr Stoff braucht und dem völlig ausgeliefert ist, dem Adrenalin in dem Fall, das würde nicht so auf uns zutreffen. Es ist eher, dass wir diesen Adrenalinkick brauchen, er ist nicht aus unserem Leben wegzudenken, aber wir zelebrieren das. Man muss es etwas Besonderes halten, man muss sich lange darauf vorbereiten und auch sehr lange sehr viel Sport machen, ohne dabei ständig Adrenalin auszuschütten. Ich halte es als etwas Besonderes. Ich würde mich als einen Adrenalingourmet bezeichnen und nicht als einen Adrenalinjunkie.

Überschreitest du dann immer wieder deine Grenzen oder ist es eher die Kunst, das nicht zu tun und immer knapp dahinter zu bleiben?

Das ist eigentlich eine sprachliche Frage, denn Grenzen sind flexibel. Man denkt zu irgendeinem Zeitpunkt, meine körperlichen und mentalen Grenzen sind da und da, und auf einmal bewegt man sich über diese Grenze hinaus, und damit hat man sich dann selbst gezeigt, das ist dann wohl doch noch nicht die Grenze. Rein logisch betrachtet sind es dann nicht mehr die Grenzen, sondern dann sind sie halt ein Stück weiter, aber ums sprachlich einfach zu machen: Mein Ziel ist schon meine Grenzen zu überwinden. Das kommt dann aber auch immer darauf an, ob man Grenzen überschreiten als etwas Negatives bezeichnet. Manche Leute sagen, Grenzen überschreiten, das ist schlecht, für die heißt das dann, man ist zu weit gegangen. Das sehe ich nicht so, für mich ist Grenzen überschreiten etwas Positives.

Kommt dann vermutlich auf die Definition von Grenze an. Steigt das Risiko bei deinen Aktionen dadurch, dass du immer weiter und immer höher gehst?

Ich würde sagen, dass das Risiko unterschiedlich ist von Projekt zu Projekt, von Line zu Line, Von Herausforderung zu Herausforderung. Aber das ist nichts, was irgendwie linear mehr oder weniger wird, sondern es ist mal so und mal so, und jemand, das ist beim Basejumpen wieder genauso, jemand auf Anfänger- Niveau kann je nachdem, was er macht, ein gleiches, geringeres oder größeres Risiko eingehen als jemand auf Profi- Niveau. Es kommt wirklich total auf die Situation an.

Würdest du slacklinen, wenn du dabei keinen Adrenalinkick hättest?


Wahrscheinlich nicht. Der Adrenalinkick ist sicherlich eine der größten Motivationen. Ich würde auf gar keinen Fall sagen, dass es der einzige Grund ist, denn Slackline hat mir so viel Gutes gebracht in meinem Leben.  Die ganzen Leute, die ich darüber treffe; auf Reisen gehen;, allein, dass es mich gesundheitlich fit hält. Dass es mir dadurch körperlich gut geht und so weiter und so fort. Alles Gründe weiter zu slacklinen, aber klar, das Antreibende, das, wovon man träumt, wenn man zuhause am Tisch sitzt, wenn es gerade nicht so aufregend zugeht im Leben, ist schon der nächste Kick. Das Abenteuer, das, wo man sich über seine Grenzen hinauswagt.